Post Mortem

  • Hallo zusammen!


    Okay, um Smalltalk geht mein Thema gerade nicht. Aber heute morgen kam mir mal wieder die Frage, was mit meinen Blogs passiert, wenn ich nicht mehr bin.

    Bei einem anderen Webhosting Anbieter hatte ich mal angefragt, ob es möglich wäre, dass ich denen eine SUmme X vererbe und sie mir versprechen, die Blogs noch 50 Jahre oder so online zu lassen. Da sahen die aber keine Möglichkeit. Ich vermute, eine Supportanfrage an Netcup würde ähnlich enden.



    Ich habe im Freundeskreis eine Herren, die sicher in der Lage wären, die Blogs irgendwo hinzuziehen und weiterlaufen zu lassen. Aber die sind in meinem Alter.. Also keine gute Idee...


    Ob das ein Geschäftsmodell wäre?Webseiten von Verstorbenen online erhalten?


    Gruß

    Mendikant

  • Hi Mendikant,


    die Idee gefällt mir.


    Leider sehe ich aber auch einige Probleme mit dem Geschäftsmodell, weil der "Erbe" dann ja auch für die Pflege der Webseite verantwortlich wäre.

    Und das kann ganz schön tricky werden.


    Zum einen gibt es Sachen, die man nicht voraus sehen kann, wie z.B.die DSGVO.

    Oder stell Dir vor es gibt eine Urheberrechtsänderung, die Auswirkungen auf die verwendeten Bilder hat, ...


    Zum anderen gibt es Probleme die vorhersehbar sind, wie z.B. dass die verwendete Software nicht mehr supported wird.

    Also z.B. PHP5 ist jetzt EOL. Jetzt müsste die Webseite auf PHP7 migriert werden. Wie viel Aufwand das ist, ist Jahrzehnte im voraus schwer zu sagen.


    Besonders, wenn man zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss ja noch gar nicht weiß, wie die Webseite zum Erbzeitpunkt aussieht.

    Das kann ja auch noch einige Jahre hin sein bis der Ernstfall eintritt. Kann man dem Betreffenden zumindest nur wünschen.


    Das könnte man etwas einschränken, indem man sagt keine selbst gemachten Webseiten und nur z.B. Wordpress.

    Aber selbst dann kann sich ja etwas gravierend ändern, schließlich reden wir von Jahrzehnten.


    Ich denke nicht, dass es unmöglich ist, aber der Aufwand, und damit die Kosten sollte man nicht unterschätzen.

  • Eine gTLD Domain kann man immer max. 10 Jahre im Vorraus bezahlen. Unvorhergesehene Preissteigerungen sind in 50 Jahren höchst wahrscheinlich.


    Ob es in 50 Jahren das WWW in seiner heutigen Form noch gibt ist auch eher unwahrscheinlich.


    Und dann gibt es bestimmt noch jede Menge rechtlicher Fallstricke.

  • Möglichst alles so anbieten, dass es größtenteils ohne viel JavaScript auskommt und dann manuell jede Seite bei web.archive.org abspeichern wäre eine gute Möglichkeit. Dort kann man vergleichsweise bequem surfen. Und denen traue ich definitiv zu, dass es das Angebot auch noch in 50 Jahren gibt.

    "Wer nur noch Enten sieht, hat die Kontrolle über seine Server verloren." (Netzentenfund)

  • Wenn Du viel Vermögen zu vererben hast, könntest Du auch einen Testamentvollstrecker einsetzen, der dafür sorgt, dass die Erben deine Webseite weiter pflegen. Aber das kostet recht viel.


    Aber wäre evtl. wirklich ein Geschäftsmodell für eine Firma. Letztlich könnten die die seiten ja komplett als statische Seiten exportieren, weil neue werden ja eh nicht dazukommen. Dann hätte man auch keine Sicherheitsprobleme oder dass der Support von Sprache X und Framework Y endet.

  • Hay,


    da ich mich mit dem Thema schon länger beschäftige, würde ich zum Geschäftsmodell noch die Abwicklung von den "anderen" Online-Präsenzen hinzufügen, insbesondere soziale Medien.


    Mir ist es selbst schon passiert, dass ein bereits zwei Jahre verstorbener Freund bei Xing einen neuen Kontakt gewonnen hat. Das ist seltsam, aber der andere hat die Kontaktanfrage halt erst jetzt angenommen. Oder ein anderer Verstorbener "empfiehlt" mir bei Facebook bestimmte Seiten. Gruselig. Ich könnte ja auch Verwandschaft sein (Kinder z.B.).


    "Was passiert mit Deinem Facebook-/Instagramm-/Xing-/Pinterest-/(hahaha Google+)- Account?" ist nämlich die andere Frage. Es gibt z.B. die Situation, dass Eltern nicht auf die Facebook-Präsenz ihrer (volljährigen) Kinder im Todesfall zugreifen können, um Beiträge zu entfernen (z.B. Selbstmordankündigung). Das ist ein sehr komplizierter Vorgang - vor allem, da es auch Medien gibt, die erst mal keine Löschung vorsehen und Expertise gefragt ist.


    Und ich weiß selbst aus meiner Bekanntschaft, dass dies ein Thema ist.


    CU, Peter

    Peter Kleemann // https://www.pkleemann.de // +49 621 1806222-0 // Kann Programme, Internet, Netzwerke und Telefon.

  • Ja wobei man da halt auch genau hinsehen muss, wie die Sachlage ist. Wenn die Eltern beispielsweise die Erbschaft ausgeschlagen haben (weil ihr Kind Schulden hatte), dann haben sie auch rechtlich keine Möglichkeit von Facebook usw. zu verlangen, dass das Profile gelöscht wird, denn sie sind ja schließlich nicht die Erben.


    Da müssten sie dann den Erben (wenn alle Ausschlagen das jeweilige Bundesland) bitten, dass die das für sie fordern.


    Wenn sie die Erben sind, können sie das ja leicht z. B. mittels Erbschein nachweisen und die Firmen können sich da auch nicht dagegen groß wehren.

  • Vielen Dank für die Rückmeldungen.


    Mein Facebook/twitter/instagram account könnten meinetwegen verschwinden. Das wäre mir egal.


    Wie das Internet in 50 Jahren aussieht ist auch eine Frage, die ich mir schon gestellt habe. Gesetzt den Fall ich wäre 2008 verstorben und es gäbe jemanden der die Seiten pflegen würde. Hätte er sie noch mobile fähig gemacht?


    Ich hatte auch schon überlegt, eine Stiftung zu gründen, die diese Aufgabe übernimmt. Aber da ist natürlich das Problem, dass das Kapital groß genug sein müsste, um aus den Zinsen die laufenden Kosten zu bestreiten.


    Immerhin habe ich nach ein wenig googlen wirklich Skripte gefunden, die Wordpress oder Serendipity theoretisch in statisches HTML umwandeln könnten. das wäre ja schonmal ein Anfang.


    Bei uns im Dorf gab es auf dem alten Friedhof (mittlerweile aufgelöst) Gräber bei denen die "Bewohner" Zu lebzeiten der Kirche Land vermacht hatten, mit der Auflage, die ewige Grabpflege zu übernehmen. Da das Land verpachtet werden konnte, stiegen die Einnahmen parallel zu den Ausgaben. das passte also.


    Wenn ich das mal kalkuliere:

    1.) MIgration ins statisches HTML

    2.) Dauerhafte Bereitstellung von Webspace (inkl. Betriebssystempflege usw.

    3.) Emailresponder einrichten

    4.) Domainkosten


    Das in Kosten übersetzt:


    1.) pauschal 2500€ (Beim 500sten Wordpress blog, ist das wahrscheinlich verskriptet total easy)

    (evtl. Betrag x pro Beitrag bzw. zu erstellender Statischer Seite?)

    2.) bis 4.) 30€ / Jahr


    wären für 50 Jahre also pauschal 4000€. Jeden Monat zwei Blogs und ich habe für den Rest meines Lebens ausgesorgt.

    Ich würde den Vertrag dann so formulieren, dasss ich 50 Jahre ab Todesdatum den Blog als statische HTML Seite zur Verfügung stelle.

    Sollte es keine Geräte mehr geben, die HTML darstellen können, hinder mich das ja nicht an der Bereitstellung.


    Meine Damen und meine Herren, wer macht mir das Angebot?


    Gruß


    Mendikant

  • Blöde frage in die Runde, was macht den Aufwand gerecht das der Blog nach dem Tod weiter lebt? Im best Fall kündigt der Erbe das Abo sofort oder sobald wie möglich, weil kein weiterer Mensch außer seine eigene Wenigkeit einen Sinn im fortbestehen sieht.


    Naja gut gibt ja Menschen die sich einfrieren lassen um an das ewige Leben zu kommen, das könnte jetzt meine Fragestellung verblassen lassen.

  • Es gibt z.B. die Situation, dass Eltern nicht auf die Facebook-Präsenz ihrer (volljährigen) Kinder im Todesfall zugreifen können, um Beiträge zu entfernen (z.B. Selbstmordankündigung). Das ist ein sehr komplizierter Vorgang - vor allem, da es auch Medien gibt, die erst mal keine Löschung vorsehen und Expertise gefragt ist.

    Zu diesem Fall hat es ja aber in diesem Sommer auch ein Urteil gegeben: https://www.tagesschau.de/inland/facebook-erbe-105.html



    mendikant:

    Dann müsste man testamentarisch Deine Firma als Erben des digitalen Vermächtnisses einsetzen. Und in dem Augenblick, wo Du das Erbe antrittst, kannst Du damit machen, was Du willst. Als Erbe/Eigentümer kannst Du dich aber nicht bezahlen lassen.


    Geschäfte mit Toten sind juristisch nicht möglich. Im Todesfall treten grundsätzlich die Erben in die Verträge ein und sie sind gesetzlich nicht an den Willen des Verstorbenen gebunden, sondern können mit ihrem Erbe tun, was sie wollen. Sie dürfen natürlich auch im - ihrer Meinung nach - Sinne des Toten handeln, man kann sie aber nicht zwingen. (Beispiel: ewige Grabpflege => Friedhof wurde aufgelöst. Der Wunsch, am Fuße des Ayers Rock beerdigt zu werden => okay, aber wenn das aus finanziellen oder anderen Gründen nicht umsetzbar ist ...)

    In dem Augenblick, wo die Erben die Herausgabe der Daten fordern, müsstest Du die Zahlung für nicht erbrachte Dienstleistungen zurückerstatten. Ist dieses das wert?


    Die geistigen Vermächtnisse großer Persönlichkeiten haben jahrhunderte Strukturwandel überlebt, ohne dass sie dafür einen "Bewahrer" kaufen mussten. Ich bin da ziemlich zuversichtlich, wenn die Blog-Schöpfungen es wert sind, werden sie nicht untergehen.


    Und mal ernsthaft: Muss man alles zu Geld machen?

    Geduld ist eine demütige Verneigung vor der Zeit.

  • mendikant:


    Außerdem hast Du einen fatalen Rechenfehler gemacht:


    Jeden Monat zwei Blogs und ich habe für den Rest meines Lebens ausgesorgt.

    Ich würde den Vertrag dann so formulieren, dasss ich 50 Jahre ab Todesdatum den Blog als statische HTML Seite zur Verfügung stelle.

    Sollte es keine Geräte mehr geben, die HTML darstellen können, hinder mich das ja nicht an der Bereitstellung.

    Wenn Du mit 70 Jahren in den Ruhestand gehen willst, kannst Du letztmalig mit 20 Jahren eine 50jährige Verpflichtung eingehen. Ob Du bis dahin schon stinkreich bist? 8o

    Geduld ist eine demütige Verneigung vor der Zeit.